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«Mining the Atmosphere»: Aus der Luft gewonnen

Um irreversible Veränderungen des Klimasystems zu verhindern, müssen wir der Atmosphäre überschüssiges, vom Menschen verursachtes, CO2 wieder entziehen. Das ist das Ziel einer gross angelegten Forschungsinitiative der Empa: «Mining the Atmosphere». Den Auftakt bilden zwei Veranstaltungen: eine für Fachleute und eine für die Öffentlichkeit.

Atmosphere
Bild: Pixabay

Fossile Energieträger sind schlicht ... genial: einfach zu handhaben, hohe Energiedichte, vielseitig einsetzbar, in grossen Mengen verfügbar. Sie sind, das Fundament unseres technologischen Fortschritts und Wohlstands der letzten 200 Jahre.

Dafür zahlen wir einen hohen Preis: Die Erde steuert auf den Klimakollaps zu. Jedes Jahr «pumpen» wir netto rund 9.4 Milliarden Tonnen Kohlenstoff (in Form von CO2) in die Atmosphäre. Durch natürliche Prozesse, vor allem über die Vegetation und die Weltmeere, wird dieser gigantische Ausstoss zwar teilweise kompensiert. Unterm Strich bleibt jedoch ein «Plus» von rund 5.1 Milliarden Tonnen atmosphärischem Kohlenstoff – jedes Jahr. Bereits seit 1988 liegt die CO2-Konzentration der Atmosphäre über 350 ppm («parts per million»), der als Grenzwert für Klimastabilität gilt. Wird dieser über längere Zeit überschritten, droht das Klimasystem der Erde zu kippen – mit teils irreversiblen Folgen.

Weiter wie bisher ist also keine Option, und auch Netto Null ist nur ein Zwischenziel. Gefragt ist ein gesamtheitlicher Lösungsansatz, der sich technisch umsetzen und auch finanzieren lässt. Womit wir bei «Mining the Atmosphere» wären. Im Unterschied zum blossen Einfangen des CO2 und dessen Speicherung im Boden – der notwendige erste Schritt – geht der «Mining»-Ansatz wesentlich weiter: Ziel ist es, ein gänzlich neues globales Wirtschaftsmodell und den dazugehörigen Industriesektor zu entwickeln, der CO2 als Rohstoff der Zukunft in wertbringende Materialien umwandelt, um herkömmliche Baustoffe und Petrochemikalien zu ersetzen.

Der Ansatz postuliert also einen Perspektivenwechsel: Wo bisher Rohstoffe in unterirdischen Minen abgebaut wurden, kehrt sich der Blick nun um Richtung atmosphärische «Mine». Gleichzeitig betrifft dies die ganze Gesellschaft, die sich von einer CO2-emittierenden Gesellschaft über die Energiewende in den nächsten 20 Jahren Richtung Netto Null hin zu einer CO2-bindenden Gesellschaft wandelt.

Soweit die Idee – deren Umsetzung eine Jahrhundertaufgabe ist, für die unzählige Akteure aus Forschung und Wirtschaft zusammenspannen müssen. Denn es gilt, schätzungsweise 400 Milliarden Tonnen Kohlenstoff (also rund 1'500 Milliarden Tonnen CO2) aus der Atmosphäre zu entfernen.

Und das ist erst der Anfang. Dann heisst es, diesen Kohlenstoff in wertschöpfende Materialien umzuwandeln, Polymere, Baumaterialien etc. Vor allem dem Bausektor kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, könnten doch Beton und Co. aufgrund ihrer Masse einen enormen Teil des atmosphärischen Kohlenstoffs binden. Die kohlenstoffhaltigen Materialien könnten nach mehrmaligem Rezyklieren am Ende ihres «Lebens» als finale Kohlenstoffsenke deponiert werden.

Zur Medienmitteilung des BAFU

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