Zukunftsbilder Netto Null

In dieser Schweiz möchte ich leben. Klimaneutral.
Selbstfahrende Elektroautos, begrünte Städte oder ein leckeres Schnitzel aus dem Labor? In welcher Schweiz leben wir im Jahr 2050? Und wie sieht diese klimaneutrale Zukunft aus?
Die Schweiz soll von Erdöl, Gas und anderen fossilen Energieträgern unabhängig werden. Dieses Bewusstsein bildet sich in der Schweizer Bevölkerung immer stärker aus. Nur: Das Wissen allein führt noch nicht zum Handeln. Zu abstrakt sind Begriffe wie «Treibhausgasreduktion» oder «erneuerbare Energien». Was wir brauchen sind konkrete, plausible und identitätsstiftende Visionen. Denn mit lösungsorientierter Kommunikation können wir einen breiten Austausch in der Gesellschaft zu einer klimaneutralen Schweiz fördern, welche für alle lebenswert ist.
Jüngste Studien zeigen, dass fast zwei Drittel der globalen Treibhausgas-Emissionen durch Netto-Null-Ziele abgedeckt sind. Auch in der Schweiz nimmt die Anzahl von Netto-Null-Initiativen zu. Trotz einer wachsenden Anzahl und Vielfalt von entsprechenden Planungsgrundlagen fällt auf, dass im gesellschaftlichen Verständnis ein Überblick über konkrete Vorstellungen einer klimaneutralen Schweiz fehlt. Diese kollektive Zukunftsungewissheit ist mitunter ein Grund, dass der öffentliche Diskurs zum Klimaschutz häufig von Unsicherheit und Verlustängsten geprägt ist. Dies führt letztendlich auch zu Ablehnungshaltungen in der politischen Entscheidungsfindung.
Öffentliche Klimakommunikation ist vielfach zu abstrakt und damit unnahbar. Der Fokus liegt oft auf Verzicht und Verlust. Dies verhindert eine konstruktive Auseinandersetzung mit einer klimaneutralen Schweiz. Ohne eine fassbare und identitätsstiftende Vision einer klimaneutralen Zukunft ist es schwierig, transformative Handlungen zu Klimaschutz und Anpassung in der Gegenwart gesellschaftlich zu motivieren. Für die Erreichung der Zielsetzungen des Parisers Übereinkommens braucht es darum dringend wirksame (d. h. breit akzeptierte) Narrative einer klimaneutralen Lebenswelt in der Schweiz.
Mit dem Projekt «Zukunftsbilder Netto Null» möchten wir aktiv zu einer konstruktiven Klimakommunikation beitragen. Auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeiten wir Zukunftsbilder einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft. Im Rahmen von partizipativen Workshops suchen wir den gesellschaftlichen Austausch, um die Vielfalt an klimakonformen Zukunftsbildern zu überprüfen und weiterzuentwickeln.
Wir schaffen zugängliche und greifbare Zukunftsvisionen in verschiedenen Lebensbereichen. Der Einsatz für eine klimaneutrale Schweiz lohnt sich und stellt für die gesamte Gesellschaft eine Chance dar. Dies wird durch die Zukunftsbilder ersichtlich.
Umfragen zeigen: Eine Mehrheit der Bevölkerung glaubt an einen anthropogenen Klimawandel. Sie anerkennt, dass ein wirksamer Klimaschutz in der Schweiz notwendig ist.
Einerseits ist ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung bereit, sich für den Klimaschutz einzusetzen. Andererseits sind viele Personen durch die grossen Herausforderungen des Klimaschutzes überfordert. Die Informationsflut und die negativen Schlagzeilen lähmen. Katastrophenbilder lösen schnell Überforderung aus und führen zu einer Abwehrhaltung. Dadurch entsteht eine Lücke zwischen Bewusstsein (Dringlichkeit des Klimaschutzes) und Handeln. Diese Lücke wollen wir schliessen und richten uns mit dem Projekt «Zukunftsbilder Netto Null» an diese Bevölkerungsgruppe.
Die Initiative wird von den Akademien der Wissenschaften Schweiz lanciert durch ProClim, das Forum für Klima und Globalen Wandel.
Zukunftsbilder sind Visionen für eine lebenswerte Welt. Für die Erstellung von Zukunftsbildern besteht keine einheitlich anerkannte Methode.
Für die vorliegende Initiative ist ein Zukunftsbild Netto Null eine allgemein zugängliche Darstellung der klimaneutralen Schweiz. Es sollen dabei klimarelevante Forschungserkenntnisse aus verschiedenen Fachrichtungen konkret und anschaulich in Verbindung mit Alltags- und Lebensrealitäten der Menschen gesetzt werden. Das Endformat der Zukunftsbilder ist nicht vorgegeben und soll während des Entstehungsprozesses zusammen mit Zielgruppen und UmsetzungspartnerInnen konkretisiert werden.

In einem mehrstufigen Prozess werden Inhalte erarbeitet, welche einerseits gesellschaftlich breit abgestützt sind und sich andererseits an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren.
Schritt 1: Analytischer Rahmen
Die Grundlage der Zukunftsbilder ist der analytische Rahmen. In einem ersten Schritt wird der Alltag in verschiedene repräsentative Lebensbereiche unterteilt, welche die räumliche und soziale Vielfalt wie auch das Hauptpotential für Emissionsreduktionen abdecken. In diesen Bereichen werden Möglichkeiten und Dringlichkeiten von Emissionsreduktionen abgebildet.
Schritt 2: Wissenschaftliche Plausibilisierung
Durch ExpertInnen-Interviews und Literaturanalyse werden für jeden Lebensbereich anhand von konkreten Ausprägungen die wichtigsten wissenschaftlichen Rahmenbedingungen festgelegt, welche aus heutiger Sicht zu Erreichung von Netto-Null-Emissionen zutreffen. Dabei soll auch auf mögliche Unsicherheiten eingegangen werden. Der analytische Rahmen bildet die Grundlage zur Erstellung von allgemein zugänglichen Beschreibungen oder Kurztexten (Scientific Storyboards), welche die Basis für die nächsten Schritte bilden.
Schritt 3: Gesellschaftliche Plausibilisierung durch Workshops
Die Zukunftsbilder sollen sich an den Einstellungen und Bedürfnissen der Zielgruppen orientieren. Wir wollen darum die Scientific Storyboards mit verschiedenen Stakeholder-Gruppen in Workshops diskutieren und entsprechend anpassen. Daraus sollen auch geeignete Kommunikationsformate für die Inhalte ermittelt werden.
Schritt 4: Umsetzung der Inhalte
Mit den Scientific Storyboards aus den verschiedenen Lebensbereichen werden konkrete Zukunftsbilder mit Partnerorganisationen erstellt. Sie stehen zugleich als Inspirationsgrundlage allen zur Verfügung, um eigene Interpretationen zu entwickeln. Daraus sollen Zukunftsbilder in verschiedenen Formen und Formaten entstehen.
Bei Zukunftsbilder Netto Null handelt es sich um keine wissenschaftlich gesicherten Resultate. Sie unterscheiden sich darum in ihrer Präzision und Repräsentativität von Modellsimulationen oder Szenarioanalysen. Das Ziel ist, wissenschaftliche Erkenntnisse zur Klimaneutralität in allgemein zugängliche und inspirierende Formate zu übersetzen.
Die Scientific Storyboards (als Zwischenschritt) stellen sicher, dass die wichtigsten wissenschaftlichen Rahmenbedingungen bezüglich der klimaneutralen Visionen berücksichtigt werden. Letztere entsprechen der Vorstellung der jeweiligen AutorInnenteams und der einbezogenen ExpertInnen.
Die Erstellung der Zukunftsbilder sieht keine ausführliche Beschreibung oder Analyse des Übergangs zu Netto-Null oder der dafür nötigen Hebel vor. Wir konzentrieren uns auf die Enddarstellung von personalisierten, klimaneutralen Lebensbereichen. Der analytische Rahmen gibt die wichtigsten Annahmen zur Erreichung von Netto Null vor.
Der analytische Rahmen bildet zentrale Lebens- und Wirtschaftsbereiche einer zukünftigen Schweiz ab. Gemäss dem Bundesamt für Umwelt machen Mobilität, Wohnen und Ernährung rund 70 % der konsumbedingten Umweltbelastung der Schweiz aus. Neben diesen Bereichen sollen auch identitätsstiftende Lebensformen berücksichtigt werden, welche sowohl den städtischen wie auch den ländlichen Raum erfassen.
Es sollen im analytischen Rahmen auch zwei mögliche Szenarien zur Erreichung des Netto-Null-Emissionsziel berücksichtigt werden, welche unterschiedlichen gesellschaftlichen und technologischen Annahmen unterliegen. Dabei unterscheiden wir zwischen zwei möglichen Entwicklungspfaden, welche sich grob an ausgewählten SSPs (Shared Socioeconomic Pathways) orientieren.
- Beständigkeit: Dieser Pfad schreibt die bisherige Entwicklung fort. Die Schweiz erreicht das gesetzte Netto-Null-Emissionsziel mehrheitlich durch technologische Innovation und Substitution fossiler Energieträger. Nicht substituierbare Prozesse, welche Treibhausgasemissionen verursachen, werden durch Negativemissionstechnologien ausgeglichen. Umweltsysteme erfahren jedoch eine gewisse Verschlechterung, wobei Biodiversitäts- und Nachhaltigkeitsziele nicht erreicht werden.
- Veränderung: Neben dem Netto-Null-Emissionsziel werden auch andere Nachhaltigkeitsziele zunehmend erreicht. Globale Gemeinschaftsgüter werden bewahrt, die Grenzen der Natur werden respektiert. Statt Wirtschaftswachstum steht zunehmend das menschliche Wohlbefinden im Fokus. Einkommensungleichheiten zwischen den Staaten und innerhalb der Staaten werden reduziert. Dabei wurden auch sehr grundlegende Umstellungen des allgemeinen Lebensstandards akzeptiert. Der Konsum orientiert sich an geringem Material- und Energieverbrauch.
Möchten Sie am Projekt «Zukunftsbilder Netto Null» mitwirken? Das freut uns! Sie haben zwei Möglichkeiten:
- Teilnahme an einem Workshop: An einem Workshop werden über die Inhalte der Zukunftsbilder diskutiert. Wir überprüfen die Vielfalt an klimakonformen Zukunftsbildern und entwickeln diese weiter. Ein Workshop dauert ca. zwei Stunden. Über den weiteren Verlauf des Projektes werden Sie informiert.
- Teilnahme als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler: Für die Entwicklung der Scientific Storyboards arbeiten wir eng mit ausgewählten Personen aus der Wissenschaft zusammen. Gerne können Sie sich bei uns melden und wir klären ab, inwiefern eine Zusammenarbeit möglich ist.
Interessiert? Melden Sie sich bei Severin Marty.
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Severin Marty
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