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Erneuerbare Energien: Welche Landschaften eignen sich am besten?

ProClim Flash 77

Der Ausbau der Erneuerbaren ist ein wichtiger Pfeiler bei der Transformation des Energiesystems, doch aufgrund von Akzeptanzproblemen und Planungskonflikten geht er nur schleppend voran. Erkenntnisse aus der Forschung könnten für die zukünftige Planung hilfreich sein.

Die Illustration zeigt, wie die Bevölkerung in einer repräsentativen Online-Befragung Anlagen erneuerbarer Energien in grossflächig ausgeschiedenen Charakterlandschaften beurteilt. Das siedlungsgeprägte Flachland wurde in der Umfrage hinsichtlich einer Entwicklung durch Anlagen erneuerbarer Energien vergleichsweise positiv bewertet.

Text: und , ETH Zürich

Das Energiesystem in der Schweiz umzubauen, erfordert unter anderem einen verstärkten Ausbau erneuerbarer Energien.1 Solche Anlagen verändern jedoch das Landschaftsbild. Wie diese Landschaftsveränderungen von der Bevölkerung wahrgenommen werden, beeinflusst die gesellschaftliche Akzeptanz für solche Anlagen. Deshalb ist es wichtig, diese landschaftliche Sicht besser zu verstehen und in die Standortwahl für Energieanlagen einzubeziehen.2

Bevölkerung bevorzugt bereits bebaute Landschaften

Mit realistischen Landschaftssimulationen wurde in einer Online-Befragung der Schweizer Bevölkerung3 sowie einem Laborexperiment4 erfasst, wie durch Windenergie- und ­Photovoltaik(PV)-Anlagen bebaute Landschaften von der Bevölkerung beurteilt werden. Dazu wurden in einem ersten Schritt Landschaften mit einem bedeutenden Potenzial für die PV- und Windenergieproduktion ermittelt – diese wurden dann zu sogenannten Charakterlandschaften zusammengefasst. Für jede Charakterlandschaft wurde ein Standort ausgewählt, der diese Landschaft repräsentiert. Mit 3D-Landschaftsvisualisierungen der Standorte simulierten die Forschenden verschiedene Szenarien mit den Energieanlagen, welche von den Befragten bewertet wurden.

Die Abbildung weiter unten veranschaulicht die Ergebnisse: Es geht klar hervor, dass der Landschaftstyp bei der Bewertung eine Rolle spielt.3 So werden die Anlagen erneuerbarer Energien in bereits bebauten Gebieten, etwa im siedlungsgeprägten Mittelland oder in Gebieten mit bestehender Tourismusinfrastruktur, besser beurteilt als in anderen Landschaften. Auch im landwirtschaftlich geprägten Flachland werden die Anlagen zwar insgesamt nur mässig, doch im Vergleich zu anderen Landschaften wie Jura, Voralpen und Berggebiete relativ gut bewertet. Zudem wird ein Landschaftsszenario positiver beurteilt, wenn Landschaft und Energieanlagen als zueinander passend empfunden werden.5 Welche Landnutzungstypen und Gebiete für konkrete Standorte von Energieanlagen in Frage kommen, wird aber in der Schweiz durch verschiedene Raumplanungsrichtlinien eingeschränkt.

Planungsziele können miteinander in Konflikt geraten

Um herauszufinden, wie sich aktuell geltende nationale Richtlinien zur Planung von Energieanlagen räumlich ganz konkret auswirken und welche Konflikte mit anderen Planungszielen auftreten, kann eine sogenannte Optimierungsanalyse durchgeführt werden.6 Eine solche Analyse wurde für die Bestimmung optimaler Standorte für Windenergieanlagen gemacht. Dabei wurden drei raumrelevante Ziele der Schweizer Windenergiestrategie7 verfolgt: (1) Minimieren der Gesamtanzahl an Windenergieanlagen in der Schweiz; (2) Clustern der Windenergieanlagen zur Minimierung der Beeinträchtigung von Ökosystemleistungen und von Installationskosten; (3) Maximieren der Energiedichte als Verhältnis von der Energieproduktion zur Sichtbarkeit der Windenergieanlagen.

Die Optimierung erfolgte hinsichtlich konkreter Vorgaben. So wurde festgelegt, bis 2050 Strom aus Windenergie im Umfang von 4,3 TWh pro Jahr zu produzieren, also ungefähr 5,6 Prozent des prognostizierten Jahresverbrauchs für Elektrizität von 76 TWh gemäss der Energieperspektiven 2050+ (ZERO Basis «ausgeglichene Jahresbilanz 2050»).8 Zudem wurden zulässige Gebiete zur Platzierung von Windenergieanlagen in verschiedenen Politikszenarien definiert. Entsprechend der Topografie wurden für die Alpen, die Voralpen und das Mittelland jeweils unterschiedliche Anlagentypen angenommen, die sich in Grösse und Leistung unterscheiden. Minimale Distanzen zu Wohnzonen und Strassen wurden eingehalten.

Das Referenzszenario entspricht einer konservativen Windenergie-Planungspolitik, die alle Gebiete nationaler Interessen von einer Entwicklung durch Windenergieanlagen komplett ausschliesst.6 Die optimalen Standorte für Windenergieanlagen befinden sich dann gemäss der Analyse hauptsächlich in den Alpen, gefolgt von den Voralpen und den Jurakämmen. In einem Alternativszenario, in dem die Fruchtfolgeflächen als Standorte für die Windenergieanlagen zugelassen werden, während sie in Wäldern oder in der Nähe ortsbildgeschützter Gebiete nicht zulässig sind, werden 300 Windenergieanlagen weniger benötigt, um das Produktionsziel zu erreichen. Dieses Szenario konzentriert die Windenergieanlagen im urbanisierten Mittelland, wo die Installationskosten durch die Nähe zu grossen Strassen wahrscheinlich geringer sind als in den Berggebieten, jedoch stehen die Anlagen näher an Wohngebieten.

Aktuelle Planungsrichtlinien stehen einer räumlichen Konzentration von Windanlagen entgegen

Die Ergebnisse verdeutlichen zwei Punkte ganz klar. Erstens, wendet man generell sehr restriktive Planungsrichtlinien an, verlagern sich die optimalen Windstandorte in die Alpen. Dies führt zu einer grösseren Anzahl benötigter Windenergieanlagen, um das für 2050 angestrebte Produktionsziel zu erreichen. Zudem erhöht dieses Vorgehen den Druck auf die touristisch und ökologisch wertvollen Alpenlandschaften. Zweitens wird ein Zielkonflikt auf der nationalen Planungsebene deutlich, nämlich zwischen den restriktiven Planungsrichtlinien und den Zielen, die Windenergieanlagen räumlich im Land zu konzentrieren sowie die Anzahl der Windenergieanlagen zu minimieren. Darüber hinaus wird gezeigt, dass anscheinend die Fruchtfolgeflächen des Schweizer Mittellandes ein hohes Potenzial an optimalen Wind­energiestandorten aufweisen. Diese Landschaften bergen das Potenzial Nahrungsmittelproduktion und Energieproduktion zu vereinen.6

Basis für die Strategieentwicklung stärken

Die landschaftliche Beurteilung ist ein wesentlicher Aspekt in der Akzeptanz von Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Bevölkerung im Vergleich verschiedener Charakterlandschaften der Schweiz solche Anlagen eher im siedlungsgeprägten Flachland und weniger in naturnahen Berggebieten bevorzugt. Wie die Optimierungsanalyse verdeutlicht, führen aktuelle Planungsrichtlinien jedoch dazu, dass beispielsweise optimale Standorte für Windenergieanlagen eher in den Alpen liegen. Mit einer Lockerung der Vorschriften können hingegen die optimalen Standorte in das siedlungsgeprägte Flachland verlagert werden.

Die Forschungsergebnisse stellen aber keine Strategie dar und sie bedeuten nicht, dass im siedlungsgeprägten Flachland überall Energieanlagen realisiert werden können und gar keine in den naturnahen Berggebieten. Neben landschaftlichen Auswirkungen beeinflussen auch weitere Faktoren wie befürchtete negative Effekte auf Mensch und Tier, die Prozessgestaltung oder der gesellschaftliche Mehrwert die Akzeptanz von Anlagen erneuerbarer Energien.9 Die in dieser Forschungsarbeit ermittelten Präferenzen der Bevölkerung für bevorzugte Landschaften und weitere Optimierungsanalysen können jedoch helfen, die räumlichen Auswirkungen verschiedener Ziele besser zu verstehen, und ihre Abwägung unterstützen. Auf diese Weise können Grundlagen für Strategien zur Landschaftsentwicklung mit Anlagen erneuerbarer Energien in der Schweiz gestärkt und eine langfristige Umsetzung gefördert werden.

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Adrienne Grêt-Regamey ist Professorin für Planung von Landschaft und Urbanen Systemen (PLUS) an der ETH Zürich. Sie erforscht, wie das Zusammenspiel von Mensch und Umwelt unsere Landschaften formt und welche Prinzipien eine nachhaltige Landschaftsentwicklung fördern.

Ulrike Wissen Hayek ist Oberassistentin am PLUS der ETH Zürich und Direktorin des Landscape Visualization and Modeling Labs. Mit audio-visuellen Landschaftssimulationen erforscht sie, wie mögliche Landschaftsveränderungen wahrgenommen und beurteilt werden.

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Referenzen

[1] UVEK, Eindgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (2022) Energiestrategie 2050.
https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home/energie/energiestrategie-2050.html

[2] Wissen Hayek U, Spielhofer R, Salak B, Luthe T, Steiger U, Hunziker M, Kienast F, Thrash T, Schiazi V, Grêt-Regamey A (2019) Empfehlungen für eine Landschaftsentwicklung durch Anlagen erneuerbarer Energien in der Schweiz – Räumliche Potenziale, Konflikte, Präferenzen und Empfehlungen für die Praxis. NFP 70-Projekt «ENERGYSCAPE». Broschüre für das Bundesamt für Energie.
https://www.aramis.admin.ch/Default.aspx?DocumentID=63793&Load=true
www.energyscape.ethz.ch

[3] Salak B, Kienast F, Olschewski R, Spielhofer R, Wissen U, Gret-Regamey A, Hunziker M (2022) Impact of renewable energy infrastructure on the perceived landscape quality. A discrete choice experiment in the context of the Swiss energy transition. Renewable Energy, 193, 299-308.
https://doi.org/10.1016/j.renene.2022.04.154

[4] Spielhofer R, Thrash T, Wissen Hayek U, Grêt-Regamey A, Salak B, Grübel J, Schinazi VR (2021) Physiological and behavioral reactions to renewable energy systems in various landscape types. Renewable and Sustainable Energy Reviews, 135: 110410.
https://doi.org/10.1016/j.rser.2020.110410

[5] Salak B, Lindberg K, Kienast F, Hunziker M (2021) How landscape-technology fit affects public evaluations of renewable energy infrastructure scenarios. A hybrid choice model. Renewable and Sustainable Energy Reviews, 143: 110896.
https://doi.org/10.1016/j.rser.2021.110896

[6] Spielhofer R (2021) Optimal Swiss Renewable Energy Landscapes. Doctoral Thesis, ETH Zurich.
https://doi.org/10.3929/ethz-b-000515485

[7] ARE, Bundesamt für Raumentwicklung (2017) Konzept Windenergie. Basis zur Berücksichtigung der Bundesinteressen bei der Planung von Windenergieanlagen. Bundesamt für Raumentwicklung ARE, Bern.

[8] BFS, Bundesamt für Energie (2020) Energieperspektiven 2050+. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.
https://www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/politik/energieperspektiven-2050-plus.exturl.html/aHR0cHM6Ly9wdWJkYi5iZmUuYWRtaW4uY2gvZGUvcHVibGljYX/Rpb24vZG93bmxvYWQvMTAzMjA=.html

[9] Stadelmann-Steffen I, Ingold K, Rieder S, Dermont C, Kammermann L, Strotz C (2018) Akzeptanz erneuerbarer Energie. Nationales Forschungsprogramm NFP 71, Steuerung des Energieverbrauchs, Druckerei im Bösch AG, Hühnenberg, Schweiz.
https://energypolicy.ch

Die Illustration zeigt, wie die Bevölkerung in einer repräsentativen Online-Befragung Anlagen erneuerbarer Energien in grossflächig ausgeschiedenen Charakterlandschaften beurteilt. Das siedlungsgeprägte Flachland wurde in der Umfrage hinsichtlich einer Entwicklung durch Anlagen erneuerbarer Energien vergleichsweise positiv bewertet.
Die Illustration zeigt, wie die Bevölkerung in einer repräsentativen Online-Befragung Anlagen erneuerbarer Energien in grossflächig ausgeschiedenen Charakterlandschaften beurteilt. Das siedlungsgeprägte Flachland wurde in der Umfrage hinsichtlich einer Entwicklung durch Anlagen erneuerbarer Energien vergleichsweise positiv bewertet.

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