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Blau-grüne Biodiversität: erkennen, erhalten, fördern

Die Biodiversität an den Schnittstellen vom Wasser zum Land ist besonders hoch. Und sie steht besonders unter Druck. Denn alle wollen ans Wasser, brauchen Wasser oder aber wollen das Wasser schnellstmöglich loswerden. Die vom ETH-Rat geförderte, gemeinsame Forschungsinitiative «Blue-Green Biodiversity» (BGB) der beiden Institute WSL und Eawag hat deshalb seit 2020 die Biodiversität an den Schnittstellen von aquatischen und terrestrischen Ökosystemen näher erforscht.

EAWAG und WSL 2024
Image: EAWAG und WSL

Stellvertretend hier drei Beispiele.

Biodiversität existiert in vielen Bereichen der Politik kaum

Nebst Biologinnen und Ökologen, Umweltingenieurinnen, Gewässerexperten und weiteren Fachleuten haben sich im Rahmen der BGB-Initiative auch Umweltsozialwissenschafter mit der Thematik befasst. In Sessionsprotokollen von National- und Ständerat, Rechtstexten, Bundesgerichtsurteilen, Expertisen etc. haben sie nach Bezügen zur Biodiversität gesucht. 440'000 Dokumente haben die Forschenden durchpflügt und nach Begriffen wie «Moor», «Fischtreppe» oder «invasive Art» gesucht. Ihr Fazit: Nur gerade in 1.6 % aller Dokumente wird ein Bezug zur Biodiversität hergestellt. In vielen relevanten Politikbereichen wie zum Beispiel Raumplanung oder Verkehr kommt Biodiversität kaum zur Sprache. «Angesichts der Tatsache, dass Erhalt und Förderung von Biodiversität koordinierte Massnahmen in einem breiten Spektrum von Politikbereichen bedingen, ist das keine gute Nachricht», sagt Manuel Fischer, Leiter der Eawag-Abteilung Umweltsozialwissenschaften. «Anders als Krankenkassenprämien oder Überschwemmungen hat Biodiversität kaum je Konjunktur», sagt er. Zudem sei das Thema stark zerstückelt in Unterthemen, die kaum zusammen diskutiert werden: «Dass der Schutz von Amphibien und der Bau von naturnahen Hochwasserrückhalteräumen zusammenhängen können, ist vielen nicht bewusst», so Fischer.

Vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser

Nass, feucht oder wechselfeucht – blaue und blau-grüne Lebensräume sind zentral für die Biodiversität in der Stadt. Forschende haben im Rahmen der BGB-Initiative untersucht, was entlang von ausgedolten Bächen sowie an neu angelegten Weihern oder auf Gründächern in der Stadt Zürich schwimmt, kriecht oder wächst. Sie fanden eine hohe Vielfalt an Arten und konnten zeigen, dass nicht nur aquatische oder halb-aquatische Arten, wie Libellen oder Amphibien, sondern auch Vögel, Schmetterlinge, Heuschrecken und vor allem wirbellose Kleintiere von den aufgewerteten Lebensräumen profitieren. «Zudem», so der WSL-Ökologe Marco Moretti, «haben blau-grüne Lebensräume und -Infrastrukturen eine Schlüsselfunktion für die Verbreitung vieler Arten. Sie bilden Trittsteine und wertvolle Korridore, die eine widerstandsfähige Biodiversität stärken.» Umweltingenieurin Lauren Cook von der Eawag geht noch weiter: «Im städtischen Umfeld kann gut angelegte blau-grüne Infrastruktur viele Funktionen gleichzeitig erfüllen – wie ein Schweizer Taschenmesser», sagt sie. Bepflanzte Versickerungsmulden zum Beispiel haben zusätzlich zur Stärkung der Biodiversität den folgenden Nutzen: Sie

sind effiziente Speicher und geben das Wasser kontrolliert ab,
können das Grundwasser auffüllen,
reduzieren bei Starkregen den Überlauf von Schmutzwasser in Bäche (wird das Wasser von 20% eines Einzugsgebiets zurückgehalten, können Schmutzwasserüberläufe um 80% verringert werden),
helfen bei der Hitzeminderung,
können CO2 absorbieren und Treibhausgasemissionen reduzieren,
steigern die Qualität für Wohnen und Naherholung.

Tintenstriche – oder wo Fels lebendig wird

Eine besondere Art von blau-grüner Biodiversität haben die Biologin Sabine Fink (WSL) und die Umweltchemikerin Elisabeth Janssen (Eawag) unter die Lupe genommen: Auffällig dunkle bis schwarze, oft feuchte Streifen an Felswänden im Gebirge, «Tintenstriche» genannt. Die wichtigsten Bewohner dieser Biofilme sind Cyanobakterien, die zu den ältesten Lebensformen auf der Erde zählen. Die auch als Blaualgen bekannten Bakterien können Fotosynthese betreiben und sind damit in der Lage, die Umgebung mit Sauerstoff anzureichern. Genetische Untersuchungen der Tintenstriche haben eine noch unbekannte Vielfalt an Cyanobakterien zu Tage gebracht. Nun sind die Forschenden daran, genauer hinzuschauen. Denn einige der identifizierten Genabschnitte ermöglichen es den Bakterien, Substanzen herzustellen, herzustellen, die für andere Organismen giftig sein können. Das ist bisher aus Seen bekannt, wo Cyanotoxine bei Algenblüten auftreten können und schon zu Badeverboten oder Todesfällen bei Hunden geführt haben. Können Schnecken oder Raupen, welche von den Tintenstrichkrusten fressen, diese Stoffe umwandeln? Oder lagern sie die Toxine sogar im eigenen Körper ein, um sich selbst vor dem Gefressenwerden zu schützen? Blau-grüne Systeme bergen noch einige Geheimnisse – und Forschungsfragen.

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